Werbung für Nahrungsergänzungsmittel - Rechtliche Vorgaben und Leitfaden 2025
Warum Rechtssicherheit in der Nahrungsergänzungsmittel-Werbung entscheidend ist
Die Werbung für Nahrungsergänzungsmittel (NEM) bewegt sich im Spannungsfeld von zwei der am strengsten regulierten Märkte der EU: Dem Markt für Lebensmittel und dem Markt für Arzneimittel. Während die Nachfrage nach Vitaminen, Mineralstoffen und pflanzlichen Präparaten stetig wächst, stehen Hersteller und Händler vor einer zentralen Herausforderung: Wie kann man Produkte wirksam bewerben, ohne gegen gesetzliche Vorgaben zu verstoßen?
Der Grund für die strenge Regulierung liegt in der Schutzfunktion gegenüber Verbrauchern. Nahrungsergänzungsmittel werden oft mit einer gesundheitsbezogenen oder gar medizinischen Wirkung in Verbindung gebracht. Genau hier setzt das Recht an: Werbung darf nicht irreführend, nicht übertrieben und vor allem nicht gesundheitsgefährdend sein. Bereits wegen des Inhalts der Werbung kann ein Nahrungsergänzungsmittel auch den besonders strengen Regeln des Arzneimittelwerberechts unterfallen. Unzuläassige Aussagen, die beispielsweise Heilversprechen suggerieren oder wissenschaftlich nicht belegt sind, können sofort mit einer Abmahnung im Wettbewerbsrecht mit einem einstweiligen Verfügungsverfahren verfolgt.
Für Unternehmen hat Rechtssicherheit in der Werbung gleich mehrere Vorteile:
- Vermeidung rechtlicher Risiken: Abmahnungen, Rückrufe von Produkten, Bußgelder und langwierige Gerichtsverfahren lassen sich durch klare, gesetzeskonforme Botschaften vermeiden.
- Stärkung des Verbrauchervertrauens: Seriöse, transparente Werbung signalisiert Glaubwürdigkeit und Professionalität.
- Wettbewerbsvorteil: Wer rechtssicher wirbt, positioniert sich nachhaltig besser als Marken, die durch irreführende Aussagen negativ auffallen.
Kurz gesagt: Rechtssicherheit ist nicht nur Pflicht, sondern auch eine Chance. Unternehmen, die die gesetzlichen Spielregeln verstehen und einhalten, können ihre Marke erfolgreich aufbauen und langfristig Vertrauen bei Kunden gewinnen.
Definition von Nahrungsergänzungsmittel
Nahrungsergänzungsmittel enthalten Stoffe, beispielsweise Vitamine, Mineralstoffe, die auch in normalen Lebensmitteln in konzentrierter Form vorkom-men. Sie können auch pflanzliche oder tierische Bestandteile enthalten, z. B. als Knoblauchpulver oder Fischöl. Ein Nahrungsergänzungsmittel dient dazu, die normale Ernährung zu ergänzen. Es handelt sich um ein Konzentrat aus Nährstoffen oder sonstigen Stoffen mit ernährungsspezifischer oder physiolo-gischer Wirkung und wird in dosierter Form, beispielsweise in Form von Kapseln, Pastillen, Tabletten, Pillen, Pulverbeuteln, Flüssigampullen, Flaschen mit Tropfeinsätzen, und ähnlichen Darreichungsformen angeboten. Nahrungsergänzungmittel sind nach der Definition des Art. 2 a) der Richtlinie 2002/46/EG über Nahrungsergänzungsmittel nach § 1 NemV zwar Lebensmittel. Für die Einordnung, ob für ein Nahrungsergänzungsmittel die allgemeinen wettbewerbsrechtlichen und nahrungsmittelrechtlichen Regeln oder die besonders strengen arzneimittelrechtlichen Regeln gelten, spielen diese Defintionen aber keine Rolle.
Die rechtlichen Grundlagen für Werbung für Nahrungsergänzungsmittel
UWG
Für alle Nahrungsergänzungsmittel gelten die Regeln des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), insbesondere die Regeln über irreführende Werbung und unlautere geschäftliche Handlungen. Besonders relevant sind bei Nahrungsergänzungsmittel die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze der gesundheitsbezohenen Werbung.
Beispiel: Verstoß gegen § 5 Abs. 1 S. 1 UWG: Bei Nahrungsergänzungsmitteln darf nicht der fälschliche Eindruck erweckt werden, es handele sich um Arzneimittel. Die Anbringung des Warnhinweises „Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker“ ist daher irreführend, da der fälschliche Eindruck entsteht, dass es sich bei diesen Produkten um Arzneimittel handelt (OLG Dresden, Urt. v. 15. 01. 2019 – 14 U 941/18).
Arzneimittelrecht
Für die Werbung für ein Nahrungsergänzungsmittel, das als Arzneimittel einzuordnen ist, gelten die strengen Grundsätze der Arzneimittelwerbung.
HCVO
Für die Werbung für Nahrungsergänzungsmittel als Lebensmittel ist besonders die „Health-Claims-Verordnung“ - HCVO - zu beachten. Die HCVO soll Verbraucher verständlich informieren. Gesundheitsbezogen ist eine Werbung, wenn die beworbene Behandlung auf die Gesundheit zielt. Sie ist es aber auch dann, wenn es um ästhetische Ziele geht, wenn bei der Behandlung in die körperliche Integrität eingegriffen wird, beispielsweise eine Fettentfernung durch eine Kryolipolyse-Behandlung (OLG München v. 5.7.2018 - 29 U 1866/17 - Bye-bye-Hüftgold).)
Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch - LFGB
Für Nahrungsergänzungsmittel gelten auch die Regeln des LFGB.
Lebensmittel-Informationsverordnung - LMIV
Für Nahrungsergänzungsmittel als Lebensmittel ist auch die Lebensmittel-Informationsverordnung (LMIV) zu beachten.
Abgrenzung zu Arzneimitteln
Nahrungsergänzungsmittel - Lebensmittel oder Arzneimittel?
Ein Produkt kann rechtlich entweder nur Lebensmittel sein oder Arzneimittel, nicht aber beides (§ 2 III Nr. 1 AMG und Art. 2 S. 3 d) BasisVO). Die richtige Einordnung ist besonders bei Nahrungsergänzungsmitteln oft schwierig. Wenn ein Nahrungsergänzungsmittel rechtlich ein Arzneimittel ist, gelten die strengen Vorschriften für Werbung für Arzneimittel.
Beispiel: Ein Produkt zum Aufbau von Muskelmasse ist nicht zwangsläufig als Arzneimittel einzustufen. Eine die Muskeln aufbauende Wirkung eines Mittels weist nicht stets und zwangsläufig auf einen arzneilichen Anwendungszweck hin. In Betracht kommt vielmehr auch, daß ein solches Mittel der Befriedigung besonderer physiologischer Bedürfnisse und sich daraus ergebender Ernährungserfordernisse einer speziellen Personengruppe - wie hier der Hochleistungs-, Kraft- oder Ausdauersporttreibenden - dient und damit ein diätetisches Lebensmittel i.S. des § 1 Abs. 2 Nr. 1 lit. b DiätVO darstellt (BGH, Urteil vom 6. 5. 2004 - I ZR 275/01 - Sportlernahrung II).
Stoffe, die zwar auf den menschlichen Körper einwirken, sich aber nicht nennenswert auf den Stoffwechsel auswirken, sind keine Funktionsarzneimittel (EuGH, Urteil vom 15. 11. 2007 - C-319/05 Kommission/Deutschland, Knoblauch-Extrakt-Pulver-Kapsel). Funktionsarzneimittel sind nur solche Erzeugnisse, deren pharmakologische Eigenschaften wissenschaftlich festgestellt und die tatsächlich dazu bestimmt sind, eine ärztliche Diagnose zu erstellen oder physiologische Funktionen zu beeinflussen.
Enthält ein Erzeugnis im Wesentlichen einen Stoff, der auch in einem Lebensmittel in dessen natürlichem Zustand vorhanden ist, so gehen von ihnen keine nennenswerten Auswirkungen auf den Stoffwechsel aus, wenn bei einem normalen Gebrauch des fraglichen Erzeugnisses seine Auswirkungen auf die physiologischen Funktionen nicht über die Wirkungen hinausgehen, die ein in angemessener Menge verzehrtes Lebensmittel auf diese Funktionen haben kann (BGH, Urteil vom 26. 6. 2008 - I ZR 61/05 - L-Carnitin II). Solche Nahrungsergänzungsmittel sind keine Arzneimittel.
Beispiel: EuGH, Urteil vom 15. 11. 2007 - C-319/05 Kommission/Deutschland, Knoblauch-Extrakt-Pulver-Kapsel: Der EuGH hat die Einordnung eines Knoblauchextrakt-Pulvers, das bei angabegemäßer Dosierung dieselbe Menge Allicin enthielt wie 7,4 g roher frischer Knoblauch, als Arzneimittel verneint. Denn die physiologischen Wirkungen des Pulvers kann auch durch den Verzehr der entsprechenden Menge Knoblauch als Lebensmittel erzielt werden.
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Werbung für gesundheitsbezogene Produkte ist rechtlich besonders reglementiert. Die Rechtsprechung stellt hohe Anforderungen an gesundheitsbezogene Aussagen. Werbung für Arzneimittel und andere Heilmittel, Medizinprodukte, Nahrungsergänzungsmittel, bilanzierte Diäten und Kosmetika ist außerdem durch spezielle Gesetze und Verordnungen eingeschränkt. Die Gefahr von Abmahnungen und Rechtsstreitigkeiten ist bei diesen Produkten besonders hoch. Das Buch stellt die aktuelle Rechtslage anhand mehrerer hundert Beispielen aus der Rechtsprechung dar.
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Beispiele unzulässiger Werbaussagen für Nahrungsergänzungsmittel
Verstöße gegen die Health-Claims-Verordnung HCVO
Besonders oft werden in Werbung für Nahrungsergänzungsmittel Verstöße gegen die Healt-Claims-Verordnung abgemahnt.
Beispiele:
- die Bezeichnung eines Nahrungsergänzungsmittels als
„Fatburner"
ist eine unzulässige Angaben über eine besondere Eigenschaft, die von der HCVO erfasst wird. Damit wird bei einem Durchschnittsverbraucher der Eindruck erweckt, das Lebensmittel habe die besondere Eigenschaft, sich positiv auf die Fettverbrennung auszuwirken (vgl. OLG Koblenz v. 30.6.2021 – 9 U 1268/20 – Fatburner) - Die Angabe
„Für alle, die sich nach einer sanften Hilfe für einen guten Schlaf sehnen.“
bezogen auf ein melatoninhaltiges Nahrungsergänzungsmittel mit Passionsblume (OLG Düsseldorf v. 20.4.2023 – I-20 U 65/22 – Internet-Werbung mit gesundheitsbezogenen Aussagen für ein melatoninhaltiges Nahrungsergänzungsmittel). - Bei einem Nahrungsergänzungsmittel mit den Vitaminen C, D und B6 sowie Zink sind die verwendeten Begriffe
„gesundes Immunsystem“
nicht gleichbedeutend und inhaltlich übereinstimmend mit dem nach der HCO zugelassenen Angabe
„normales Immunsystem“.
Denn „gesund“ gegenüber „normal“ deutet darauf hin, dass das Nahrungsergänzungsmittel auch dann eine Funktion hat, wenn der Konsument nicht gesund ist (OLG München v. 21.12.2023 – 29 U 4088/22 – Gesundes Immunsystem).
Verstöße gegen das UWG
Werbung für Nahrungsergänzungsmittel verstößt auch oft gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).
Beispiel: Verstoß gegen § 5 Abs. 1 S. 1 UWG: Bei Nahrungsergänzungsmitteln darf nicht der fälschliche Eindruck erweckt werden, es handele sich um Arzneimittel. Die Anbringung des Warnhinweises „Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker“ ist daher irreführend, da der fälschliche Eindruck entsteht, dass es sich bei diesen Produkten um Arzneimittel handelt (OLG Dresden, Urt. v. 15. 01. 2019 – 14 U 941/18).
Verstöße gegen Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch - LFGB
Für Nahrungsergänzungsmittel gilt auch das Täuschungsverbot des LFGB.
Beispiel: Verstoß gegen das Täuschungsverbot des § 11 LFGB (i.V.m. § 4 Nr. 11 UWG): Trotz der – gut lesbaren – Hinweise auf der Verpackung, dass es sich um „Tabletten zur Nahrungsergänzung” handelt, kann ein Produkt als (Präsentations-)Arzneimittel einzustufen sein, wenn die blickfangmäßig herausgestellte Produktbezeichnung, Schriftbild und Farbgebung den Verbraucher an bekannte Arzneimittel erinnern, und wenn es ausschließlich in Apotheken abgegeben wird (OLG Köln, Urteil vom 12. 10. 2007 - 6 U 56/07 Donaprevent)
Besondere Anforderungen für Umweltsaussagen durch die EmpCo-Richtlinie
Für Werbung mit Umweltaussagen gelten ab 2026 die strengen Regeln der EmpCo-Richtlinie. Solche Umweltaussagen sind beispielsweise
"umweltfreundlich“, „umweltverträglich“, „biologisch abbaubar“ oder„ biobasiert“.
Rechtliche Risiken und Konsequenzen bei Verstößen
Wer gegen die strengen Vorgaben zur Werbung für Nahrungsergänzungsmittel verstößt, riskiert weitreichende rechtliche und wirtschaftliche Folgen. Schon kleine Formulierungsfehler können teuer werden.
Abmahnungen von Mitbewerbern, qualifizierten Wirtschaftsverbänden und qualifizierten Einrichtungen
Wettbewerber beobachten das Marktverhalten ihrer Konkurrenten besonders genau. Oft wurden sie selbst bereits abgemahnt und sind daher für unzulässige Werbung für Nahrungsergänzungsmittel sensibilisiert.
Abmahnungen von qualifizierten Wirtschaftsverbänden und qualifizierten Einrichtungen
Auch die qualifizierten Wirtschaftsverbänden (z.B. der Verband Sozialer Wettbewerb e.V. oder die Wettbewerbszentrale) und die qualifizierten Einrichtungen können Abmahnungen im Wettbewerbsrecht aussprechen. Diese Verbände werden oft aufgrund von Hinweisen ihrer Mitglieder tätig-
Gerichtliche Maßnahmen
Nach erfolglosen Abmahnungen folgen oft gerichtliche Verfahren, meistens als einstweilige Verfügungsverfahren.
Bußgelder und Strafen
Schließlich drohen bei unzulässiger Werbung auch Bußgelder der Behörden. Denn die einschlägigen Vorschriften enthalten auch Bußgeldregelungen.
Autor: Thomas Seifried,
Anwalt für Heilmittelwerberecht und
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz
Wettbewerbsrechtliche Abmahnung wegen Werbung für Nahrungsergänzungsmittel erhalten?
Abmahnungen von Mitbewerbern und Verbänden
Mitbewerber und
Verbände wehren sich oft gegen Verstöße gegen unlautere Werbung für Nahrungsergänzungsmittel und beanstanden diese mit einer
Abmahnung im Wettbewerbsrecht mit Aufforderung, eine
strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Gerichtliche Verfahren werden meistens in
einstweiligen Verfügungsverfahren geführt. Hier kommt es auf Details an. Sprechen Sie uns an.
Ihr Rechtsanwalt - Thomas Seifried, Rechtsanwalt und Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz
Anwalt für Wettbewerbsrecht Thomas Seifried hat über 20 Jahre Erfahrung im Wettbewerbsrecht mit zahlreichen nachgewiesenen Erfolgen und ist seit 2007 auch Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz. Er berät und vertritt seit vielen Jahren Unternehmen der Gesundheits- und Kosmetikbranche.