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Heilmittelwerberecht beschränkt Werbung für Arzneimittel, Medizinprodukte, kosmetische Mittel und andere gesundheitsrelevante Mittel für Mensch und Tier


Das Heilmittelwerberecht ist im Heilmittelwerbegesetz (HWG) geregelt. Das HWG schützt Verbraucher vor irreführender Werbung und unsachlicher Beeinflussung für Mittel und Verfahren zur Behandlung von Krankheiten. Das HWG verbietet bestimmte Arten von Werbung mit Aussagen, die die Gesundheit betreffen. Das Heilmittelwerbegesetz regelt Werbung für Arnzeimittel, Medizinprodukte und andere Heilmittel. Betroffen sind auch Nahrungsergänzungsmittel (NEG) und bestimmte Kosmetika.


Das Heilmittelwerbegesetz verbietet bestimmte Werbeaussagen nur in Bezug zu einem Produkt, nicht aber reine Imagewerbung ohne Bezug zu einem Produkt, z.B. Unternehmenswerbung (siehe unten). Eine Unternehmenswerbung oder Imagewerbung, die sich nicht auf ein konkretes Produkt bezieht, wird vom Heilmittelwerberecht nicht erfasst. Irreführende Werbung über ein Unternehmen ist vielmehr im Gesetz gegen den unlauteren Wettbwerb geregelt.


Für wen gilt das Heilmittelwerbegesetz (HWG)?


Werbung für Arzneimittel, Medizinprodukte und andere gesundheitsrelevante Mittel und Verfahren, auch für Tiere


§ 1 HWG definiert den Anwendungsbereich des Heilmittelwerbegesetztes. Das HWG gilt demnach für Werbung für

  • Arzneimittel nach § 2 Arzneimittelgesetz (AMG),
  • Medizinprodukte im Sinne von Artikel 2 Nummer 1 der Verordnung (EU) 2017/745 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2017 über Medizinprodukte,
  • andere Mittel, Verfahren, Behandlungen und Gegenstände, soweit sich die Werbeaussage bezieht
    - auf die Erkennung, Beseitigung oder Linderung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden beim Menschen,
    - auf Schwangerschaftsabbrüche,
    - auf operative plastisch-chirurgische Eingriffe zur Veränderung des menschlichen Körpers ohne medizinische Notwendigkeit.
    "Andere Mittel" sind auch kosmetische Mittel im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 (EU-Kosmetikverordnung).
    "Gegenstände" sind auch Gegenstände zur Körperpflege i
    m Sinne des § 2 Absatz 6 Nummer 4 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches.
  • Verfahren und Behandlungen, soweit sich die Werbeaussage auf die Erkennung, Beseitigung oder Linderung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden beim Tier bezieht.


Was ist "Werbung" im Sinne von § 1 Heilmittelwerbegesetz?


Keine Definition von "Werbung" im Heilmittelwerbegesetz

Für den Begriff der „Werbung“ findet sich im Heilmittelwerbegesetz keine gesetzliche Definition. Die Rechtsprechung definiert heilmittelwerberechtlich relevante Werbung als Werbung, die die Aufmerksamkeit der angesprochenen Verkehrskreise erregen und deren Interesse wecken und so

den Absatz von Waren oder Leistungen fördern soll (BGH, Urteil v. 27.4.1995 - I ZR 116/93 - Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie). Diese Definition ähnelt der generellen wettbewerbsrechtlichen Definition von Werbung.


Definition von "Werbung für Arzneimittel"

Bestimmte Werbebeschränkungen des HWG gelten nach dem Gesetz nur für Arzneimittel (§§ 3a, 4, 4a, 5, 10, 11 I Nr. 1 bis Nr. 15, 11 II, 12 I Nr. 1 HWG). Nach der Rechtsprechung (OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 12.12.2019 – 6 U 189/18 - Melissenextrakt) und dem für die Auslegung des Heilmittelwerbegesetzes verbindlichen Art. 86 I Hs. 1 der EU-Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel ist Werbung für Arzneimittel


"alle Maßnahmen zur Information, zur Marktuntersuchung und zur Schaffung von Anreizen mit dem Ziel, die Verschreibung, die Abgabe, den Verkauf oder den Verbrauch von Arzneimitteln zu fördern“.


Eine Werbung für ein Arzneimittel liegt vor, wenn der Verbraucher den ausdrücklich beworbenen Wirkstoff mit dem Medikament gleichsetzt (BGH, Urteil vom 29.10.1992 - I ZR 89/91 – Bronchocedin) oder wenn nicht der Wirkstoff, sondern die Pflanze, aus den der Wirkstoff gewonnen wird, mit dem Arzneimittel gleichgesetzt wird (OLG Koblenz, Urteil v. 14.12.2016 -  U 941/16 - Passionsblume). "Werbung" im Sinne des HWG kann auch eine Aussage auf einer Packungsbeilage sein (vgl. BGH v. 29.05.1991 - I ZR 284/89 - Katovit).


HWG nur für Produktwerbung anwendbar

Nicht für jede Werbung für Heilmittel gilt das Heilmittelwerbegesetz. Das Heilmittelwerbegesetz beschränkt vielmehr nur Werbung für Produkte (Produktwerbung oder Absatzwerbung), nicht dagegen Firmenwerbung, also Unternehmens- und Imagewerbung. Es müssen also Heilmittel beworben werden, damit das Heilmittelwerbegesetz anwendbar ist, nicht etwa nur ganz allgemein ein Unternehmen.


Ob die zu beurteilende Werbung Absatzwerbung oder Firmenwerbung ist, hängt davon ab, ob nach dem Gesamterscheinungsbild der Werbung die Darstellung des Unternehmens oder aber die Anpreisung bestimmter oder zumindest individualisierbarer Produkte im Vordergrund steht. Auch eine Werbung für das gesamte Warensortiment einer Apotheke ist nicht etwa eine Firmenwerbung, sondern eine unter § 1 Abs. 1 Nr. HWG fallende Produkt- oder Absatzwerbung (BGH, Urteil vom 18.11.2021 – I ZR 214/18 - Unzulässige Werbung einer Versandapotheke – Gewinnspielwerbung II). Das gilt auch dann, wenn ein Teil des Sortiments keine Heilmittel umfasst (BGH v. 26.3.2009 - I ZR 99/07 - DeguSmiles & more).



Wann ist ein Produkt ein Arzneimittel im Sinne von § 2 Arzneimittelgesetz (AMG)?


Das Heilmittelwerberecht verweist für den Begriff des Arzneimittels auf das Arzneimittelrecht: Das Heilmittelwerbegesetz gilt nach § 1 HWG für Werbung für Arzneimittel im Sinne des § 2 Arzneimittelgesetzes (AMG). Ob ein Produkt als Arzneimittel einzustufen ist, beurteilt sich nach § 2 AMG. Der Begriff des Arzneimittels ist weit auszulegen (BGH, Beschluss vom 18.10.2012 - IZR 38/12 - Funktionsarzneimittel). § 2 AMG nennt in § 2 I Nr. 1 AMG die Präsentationsarzneimittel und in § 2 I Nr. 2 a) die Funktionsarzneimittel.


Präsentationsarzneimittel

Präsentationsarzneimittel (Bestimmungsarzneimittel) sind nach § 2 I Nr. 1 AMG Mittel, die mit Eigenschaften zur Heilung oder Linderung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten oder krankhafter Beschwerden bestimmt sind. Für die Einstufung eines Mittels als Präsentationsarzneimittel kommt aus auf eine – wie auch immer geartete – Wirkung nicht an (OLG Frankfurt, Urteil vom 29. 04. 2008 - 6 U 109/07 - Mundspülung). Es reicht, wenn es sich aufgrund seiner Verpackung und der beigefügten Produktinformationen für einen durchschnittlich informierten und verständigen Durchschnittsverbraucher als Arzneimittel darstellt.


Funktionsarzneimittel

Funktionsarzneimittel werden in § 2 I Nr. 2 a) Arzneimittelgesetz genannt. Für die Annahme eines Funktionsarzneimittels kommt es ausschließlich auf die Wirkungsweise an (OLG Frankfurt, Urteil vom 29. 04. 2008 - 6 U 109/07 - Mundspülung). Allein der Umstand, dass ein Stoff eine pharmakologische Wirkung hat, macht ein Präsentationsarzneimittel aber noch nicht zum Funktionsarzneimittel. Von einem Funktionsarzneimittel kann nur ausgegangen werden, wenn die pharmakologische Wirkung des Produkts feststellbar ist und die physiologischen Funktionen des Menschen nennenswert beeinflusst werden (BGH, Urt. v. 25. 06. 2015 – I ZR 11/14 - Mundspüllösung kein Funktionsarzneimittel (Chlorhexidin).


Nach der Rechtsprechung sind bei der Beurteilung, ob ein Erzeugnis unter die Definition des Funktionsarzneimittels fällt, alle seine Merkmale und insbesondere seine Zusammensetzung, seine pharmakologischen Eigenschaften, die Modalitäten seines Gebrauchs, der Umfang seiner Verbreitung, seine Bekanntheit bei den Verbrauchern sowie die Risiken zu berücksichtigen, die seine Verwendung mit sich bringen kann (EuGH, Urteil v. 9.6.2005 - C-211/03 - HLH Warenvertriebs GmbH; BGH, Urteil vom 14. 01. 2010 - I ZR 138/07 - Zimt-Präparate; EuGH, Urteil vom 15. 11. 2007 - C-319/05 Kommission/Deutschland, Knoblauch-Extrakt-Pulver-Kapsel). Die pharmakologischen Eigenschaften eines Erzeugnisses sind dabei der Faktor, auf dessen Grundlage zu beurteilen ist, ob dieses im oder am menschlichen Körper zur Erstellung einer ärztlichen Diagnose oder zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der menschlichen physiologischen Funktionen angewandt werden kann (EuGH, Urt. v. 30.4.2009 – C-27/08 – BIOS Naturprodukte/Saarland, m.w.N.).


Nahrungsergänzungsmittel: Lebensmittel oder Arzneimittel?


Geltung des Heilmittelwerbegesetzes für Nahrungsergänzungsmittel

Das HWG gilt auch für Nahrungsergänzungsmittel, wenn diese als Arzneimittel gelten. Ein Produkt kann rechtlich entweder nur Lebensmittel sein oder Arzneimittel, nicht aber beides (§ 2 III Nr. 1 AMG und Art. 2 S. 3 d) BasisVO). Dabei ist die Abgrenzung von Nahrungsmitteln und Arzneimitteln oft schwierig. Stoffe, die zwar auf den menschlichen Körper einwirken, sich aber nicht nennenswert auf den Stoffwechsel auswirken, sind keine Funktionsarzneimittel (EuGH, Urteil vom 15. 11. 2007 - C-319/05 Kommission/Deutschland, Knoblauch-Extrakt-Pulver-Kapsel). Funktionsarzneimittel sind nur solche Erzeugnisse, deren pharmakologische Eigenschaften wissenschaftlich festgestellt und die tatsächlich dazu bestimmt sind, eine ärztliche Diagnose zu erstellen oder physiologische Funktionen zu beeinflussen.


Enthält ein Erzeugnis im Wesentlichen einen Stoff, der auch in einem Lebensmittel in dessen natürlichem Zustand vorhanden ist, so gehen von ihnen keine nennenswerten Auswirkungen auf den Stoffwechsel aus, wenn bei einem normalen Gebrauch des fraglichen Erzeugnisses seine Auswirkungen auf die physiologischen Funktionen nicht über die Wirkungen hinausgehen, die ein in angemessener Menge verzehrtes Lebensmittel auf diese Funktionen haben kann (BGH, Urteil vom 26. 6. 2008 - I ZR 61/05 - L-Carnitin II). Solche Nahrungsergänzungsmittel sind keine Arzneimittel.


Beispiel: EuGH, Urteil vom 15. 11. 2007 - C-319/05 Kommission/Deutschland, Knoblauch-Extrakt-Pulver-Kapsel: 

Der EuGH hat die Einordnung eines Knoblauchextrakt-Pulvers, das bei angabegemäßer Dosierung dieselbe Menge Allicin enthielt wie 7,4 g roher frischer Knoblauch, als Arzneimittel verneint. Denn die physiologischen Wirkungen des Pulvers kann auch durch den Verzehr der entsprechenden Menge Knoblauch als Lebensmittel erzielt werden.


Anwendbarkeit der Lebensmittel-Informationsverordnung für Nahrungsergänzungsmittel

Aber auch wenn Nahrungsergänzungsmittel rechtlich als Lebensmittel gelten, sind die lebenmittelrechtlichen Vorschriften zu beachten, besonders die Health-Claims-Verordnung und die Lebensmittel-Informationsverordnung (LMIV) (hierzu unten).


Werbung für Medizinprodukte nach dem Heilmittelwerbegesetz


Definition Medizinprodukt

Die Definition von "Medizinprodukt" steht in Art. 2 Nr. 1 der Verordnung (EU) 2017/745 über Medizinprodukte (Medizinprodukte-Verordnung - MDR): „Medizinprodukt“ ist demnach ein Gegenstand, das dem Hersteller zufolge für Menschen bestimmt ist und allein oder in Kombination einen oder mehrere der folgenden spezifischen medizinischen Zwecke erfüllen soll:

—Diagnose, Verhütung, Überwachung, Vorhersage, Prognose, Behandlung oder Linderung von Krankheiten,

—Diagnose, Überwachung, Behandlung, Linderung von oder Kompensierung von Verletzungen oder Behinderungen,

—Untersuchung, Ersatz oder Veränderung der Anatomie oder eines physiologischen oder pathologischen Vorgangs oder Zustands,

—Gewinnung von Informationen durch die In-vitro-Untersuchung von aus dem menschlichen Körper — auch aus Organ-, Blut- und Gewebespenden — stammenden Proben


und dessen bestimmungsgemäße Hauptwirkung im oder am menschlichen Körper weder durch pharmakologische oder immunologische Mittel noch metabolisch erreicht wird, aber durch solche Mittel unterstützt werden kann. Ebenfalls als Medizinprodukte gelten:

—Produkte zur Empfängnisverhütung oder -förderung,

—Produkte zur Reinigung, Desinfektion oder Sterilisation von Medizinprodukten und Zubehör


Voraussetzung für Medizinprodukt: Medizinische Zweckbestimmung

Ein Gegenstand, der von seinem Hersteller zur Anwendung für Menschen zum Zwecke der Untersuchung eines physiologischen Vorgangs konzipiert wurde, fällt nur dann unter den Begriff „Medizinprodukt“, wenn der Gegenstand für einen medizinischen Zweck bestimmt ist (EuGH v. 22.11.2012 – C-219/11 (Brain Products GmbH/BioSemi VOF). Ein Produkt ist daher nicht für medizinische Zwecke bestimmt, wenn die Kennzeichnung, die Gebrauchsanweisung und die Werbung für das Produkt eine Verwendung für medizinische Zwecke deutlich ausschließt.


Beispiel:

Ein Unternehmen bot ein System zur Messung und Aufzeichnung von menschliche Gehirnströmen an. Das Produkt war mit dem Hinweis versehen:


"Hinweis: Produkte von B. sind nur zur Benutzung im Rahmen von Forschungsanwendungen vorgesehen. Unsere Produkte werden nicht als Medizinprodukte im Sinne der EU-Richtlinie 93/42/EWG vermarktet. Unsere Produkte sind nicht zur Benutzung bei Diagnostik oder Behandlung von Krankheiten entwickelt worden oder dafür vorgesehen.“


Das reichte aus, um medizinische Zwecke und damit die Einstufung als Medizinprodukt auszuschließen (BGH v. 18.4.2013 - I ZR 53/09 - Messgerät II).


Abgrenzung Medizinprodukt von Arzneimittel

Das Heilmittelwerbegesetz gilt auch für Werbung für Medizinprodukte im Sinne von Artikel 2 Nr. 1 Medizinprodukte-Verordnung. Im Gegensatz zu Arzneimitteln, die pharmakologisch wirken, haben Medizinprodukte eine physikalische Wirkung. Diese physikalische Wirkung kann nicht nur durch einen Gegenstand herbeigeführt werden, sondern auch durch einen Stoff ("stoffliches Medizinprodukt"). Die Einstufung als Arzneimittel oder Medizinprodukt ist vor allem für die Werbeverbote des § 11 HWG entscheidend, weil diese teilweise nicht für Medizinprodukte gelten (hierzu unten).


Beispiele für Medizinprodukte

Ein stoffliches Medizinprodukt ist beispielsweise ein

  • Darmreinigungspulver, das seine Wirkung auf osmotischem und physikalischem Weg erreicht (BGH, Urteil vom 10.12.2009 - I ZR 189/07 - Zur Abgrenzung Arzneimittel/Medizinprodukt (Macrogol).


Auch ein Medizinprodukt ist ein

  • Gefäßgerüst zur Verbesserung des Blutdurchflusses (Stent). Das gilt selbst dann, wenn zur Vorbeugung eines übermäßigen Gewebewachstums ein Wirkstoff ausgebracht wird und das Gefäßgerüst bioresorbierbar ist, sich also nach einiger Zeit im Körper auflöst (BGH, Urteil vom 1.2.2018 – I ZR 82/17 - Gefäßgerüst).


Weitere Beispiele für Medizinprodukte

Als Medizinprodukte wurden von der Rechtsprechung eingestuft:

  • Kondome (vgl. LG Düsseldorf, Urteil v. 7.3.2018 - 12 O 76/17 - CE Kennzeichnung von Medizinprodukten; siehe nun auch ausdrücklich Art. 2 Nr. 1 S. 3 1. Spiegelstrich der Medizinprodukte-Verordnung)
  • Brillen (BGH, Urteil v. 6.11.2014 - I ZR 26/13 - Kostenlose Zweitbrille)
  • Inkontinenzhöschen (OLG Hamburg, Urteil v. 20.06.2019 - 3 U 137/18 - Inkontinenzhöschen)
  • "Gesundheitsmatten" (KG, Urteil v. 21.12.2018 - 5 U 138/17 - Unzulässige Werbung mit gesundheitsbezogenen Angaben)
  • Heilerde (OLG Frankfurt a.M., Urteil v. 2.12.2021 – 6 U 121/20 - Heilerde zur Entgiftung)
  • Hustensäfte und Lutschtabletten gegen Husten (OLG Karlsruhe, Urteil vom 22.6.2022 – 6 U 259/21 - produktiver Husten)
  • Geräte zur Stimulation der Muskeln mit Elektroimpulsen oder Magentimpuslen (LG Düsseldorf, Urteil vom 21. Juni 2023 – 12 O 115/22 - TRAUMKÖRPER GANZ OHNE SPORT!)


Keine Medizinprodukte sind

  • FFP 2-Schutzmasken (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 18. März 2021 – 6 W 15/21; LG Hamburg, Urteil vom 9. Februar 2023 – 312 O 42/21 - Prämienwelt)
  • Stoffmasken (OLG Hamm, Beschluss vom 15. Dezember 2020 – I-4 W 116/20 - Stoffmaske)


Angebote für Medizinprodukte nur mit CE-Kennzeichnung nach Art. 20 Medizinprodukte-VO

Ein Medizinprodukt darf nur angeboten werden, wenn es eine CE-Kennzeichnung nach Art. 20 Medizinprodukte-Verordnung (VO (EU) 2017/745) trägt und eine EU-Konformitätserklärung ausgestellt wurde. Die CE-Kennzeichnung darf nur angebracht werden, wenn das Produkt die grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen erfüllt.


Die CE-Kennzeichnung muss gut sichtbar, leserlich und dauerhaft auf dem Produkt oder auf seiner sterilen Verpackung angebracht werden (Art. 20 Abs. 3 Medizinprodukte-VO). Wenn eine CE-Kennzeichnung auf dem Produkt oder auf seiner sterilen Verpackung wegen der Beschaffenheit des Produkts nicht möglich oder nicht sinnvoll ist, wird die CE-Kennzeichnung auf der Verpackung (Einzelverpackung, Verkaufts- oder Handelsverpackung) angebracht. Die CE-Kennzeichnung muss außerdem in jeder Gebrauchsanweisung und auf jeder Handelsverpackung erscheinen.


CE-Kennzeichnung sagt nichts über Wirksamkeit eines Medizinprodukts aus

Von wem das Konformitätsbewertungsverfahren nach Art. 52 Medizinprodukte-VO durchzuführen ist, hängt von der Risikoklasse des Produkts ab. Nur bei der niedrigsten Risikoklasse I darf der Hersteller das Konformitätsbewertungsverfahren selbst durchführen. Bei allen anderen Medizinprodukten ist für das Konformitätsbewertungsverfahren die "Benannte Stelle" (private Medizinprodukte-Zertifizierungsstelle) zuständig. Die benannte Stelle wiederum prüft die Wirksamkeit des Medizinprodukts nicht selbst. Sie erteilt die Konformitätsbescheinigung nur anhand der Dokumente, die ihr der Hersteller zur Verfügung gestellt hat (vgl. Art. 45 Medizinprodukte-VO). Eine erteilte CE-Zertifizierung schließt daher eine gerichtliche Überprüfung eines Wirksamkeitsversprechens nicht aus (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil v. 22.6.2022 - 6 U 259/21 - Produktiver Husten).

Neuer Text

Anwendbarkeit des HWG für Verfahren, Behandlungen und Gegenstände


Das HWG gilt auch für gesundheitsrelevante Werbung (vgl. § 1 I Nr. 2, II HWG) für Verfahren, Behandlungen und Gegenstände. Das können beispielsweise medizinische Therapien sein.


Weitere Beispiele:

  • "Verfahren und Behandlungen" sind
    z.B. der Besuch einer Salzgrotte (OLG Saarbrücken v. 19.12.2018 - 1 U 41/18 - Besuch in der Salzgrotte)
  • "Gegenstände",
    z.B. Kinesiologie-Tapes (BGH v. 20.02.2020 - I ZR 193/18 - Kundenbewertungen auf Amazon).


Pflichtangaben für Arzneimittel nach § 4 Heilmittelwerbegesetz (HWG)


Generelle Pflichtangaben für Werbung für Arzneimittel

Nach § 4 HWG muss jede Werbung für Arzneimittel gegenüber Fachkreisen und gegenüber dem allgemeinen Publikum die folgenden Angaben enthalten und zwar von den übrigen Werbeaussagen deutlich abgesetzt, abgegrenzt und gut lesbar:

  • die Bezeichnung des Arzneimittels,
  • die Anwendungsgebiete,
  • Warnhinweise, soweit sie für die Kennzeichnung der Behältnisse und äußeren Umhüllungen vorgeschrieben sind,
  • bei Arzneimitteln, die der Verschreibungspflicht nach § 48 des Arzneimittelgesetzes unterliegen, den Hinweis "Verschreibungspflichtig".


Ausnahme: Erinnerungswerbung

Erinnerungswerbung muss die folgenden Angaben nicht enthalten (§ 4 Abs. 6 HWG):

  • den Namen oder die Firma und den Sitz des pharmazeutischen Unternehmers,
  • bei Monopräparaten: den Wirkstoff
  • die Zusammensetzung des Arzneimittels gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Buchstabe d des Arzneimittelgesetzes,
  • die Gegenanzeigen.

Mit einer Erinnerungswerbung sollen Kunden angesprochen werden, die das Mittel bereits kennen (BGHZ 140, 134, 141 – Hormonpräparate; BGHZ 180, 355 Tz. 33 – Festbetragsfestsetzung). Eine Erinnerungswerbung liegt vor, wenn ausschließlich mit der Bezeichnung eines Arzneimittels oder zusätzlich mit dem Namen, der Firma, der Marke des pharmazeutischen Unternehmens oder dem Hinweis „Wirkstoff:” geworben wird. Diese Aufzählung ist nicht abschließend. Zusätzliche Angaben führen nur dann aus dem Anwendungsbereich des § 4 Abs. 6 HWG heraus, wenn sie einen medizinisch relevanten Inhalt aufweisen. Dagegen sind weitere Angaben, die diese Voraussetzung nicht erfüllen, wie insbesondere solche über Packungsgrößen, Mengen und Preise im Rahmen einer Erinnerungswerbung zulässig (BGH, Urteil vom 29. 04. 2010 - I ZR 202/07 - Erinnerungswerbung im Internet).


Weitere Pflichtangaben für Werbung gegenüber Fachkreisen

Für eine Werbung gegenüber Fachkreisen verlangt das Gesetz weitere Informationen. Hier muss der Werbende außerdem angeben:

  • den Namen oder die Firma und den Sitz des pharmazeutischen Unternehmers,
  • die Zusammensetzung des Arzneimittels gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Buchstabe d des Arzneimittelgesetzes,
  • die Gegenanzeigen,
  • die Nebenwirkungen


Diese Pflichtangaben für Werbung gegenüber Verbrauchern und Fachkreisen müssen mit denjenigen übereinstimmen, die für die Packungsbeilage vorgeschrieben sind.


Pflichtangaben für Werbung gegenüber Verbrauchern

Bei einer Werbung außerhalb der Fachkreise (Verbrauchern) ist der Text


"Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker"


gut lesbar und von den übrigen Werbeaussagen deutlich abgesetzt und abgegrenzt anzugeben.


Werbung für traditionelle pflanzliche Arzneimittel

Eine Werbung für ein traditionelles pflanzliches Arzneimittel, das nach dem Arzneimittelgesetz registriert ist, muss folgenden Hinweis enthalten:


"Traditionelles pflanzliches Arzneimittel zur Anwendung bei ... (spezifiziertes Anwendungsgebiet/spezifizierte Anwendungsgebiete) ausschließlich auf Grund langjähriger Anwendung".


Werbung für Monopräparate mit nur einem Wirkstoff nach § 4 Abs. 1a HWG

Bei Arzneimitteln, die nur einen Wirkstoff enthalten ("Monopräparate") muss der Bezeichnung des Arzneimittels die Bezeichnung dieses Bestandteils mit dem Hinweis: "Wirkstoff: ..." folgen. Ausnahme: In der Bezeichnung des Arzneimittels ist die Bezeichnung des Wirkstoffs bereits enthalten.



Übersicht über die erforderlichen Pflichtangaben nach § 4 HWG:


Generelle Pflichtangaben für Werbung für Arzneimittel gegenüber Fachpublikum und Verbraucher

  •     die Bezeichnung des Arzneimittels,
  •     die Anwendungsgebiete,
  •     Warnhinweise, soweit sie für die Kennzeichnung der Behältnisse und äußeren Umhüllungen vorgeschrieben sind,
  •     bei Arzneimitteln, die der Verschreibungspflicht nach § 48 des Arzneimittelgesetzes unterliegen, den Hinweis "Verschreibungspflichtig".

Zusätzliche Pflichtangaben für Werbung gegenüber Fachpublikum

  • den Namen oder die Firma und den Sitz des pharmazeutischen Unternehmers,
  • die Bezeichnung des Arzneimittels,
  • die Zusammensetzung des Arzneimittels gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Buchstabe d des Arzneimittelgesetzes,
  • die Anwendungsgebiete,
  • die Gegenanzeigen,
  • die Nebenwirkungen,
  •  Warnhinweise, soweit sie für die Kennzeichnung der Behältnisse und äußeren Umhüllungen vorgeschrieben sind,
  • bei Arzneimitteln, die der Verschreibungspflicht nach § 48 des Arzneimittelgesetzes unterliegen, den Hinweis "Verschreibungspflichtig".

Pflichtangaben für Werbung gegenüber Verbrauchern

  • die Bezeichnung des Arzneimittels,
  • die Anwendungsgebiete,
  •  Warnhinweise, soweit sie für die Kennzeichnung der Behältnisse und äußeren Umhüllungen vorgeschrieben sind,
  •  bei Arzneimitteln, die der Verschreibungspflicht nach § 48 des Arzneimittelgesetzes unterliegen, den Hinweis "Verschreibungspflichtig".

Zusätzlicher Hinweis für apothekenpflichtige Arzneimittel und frei verkäufliche Arzneimittel wenn in der Packungsbeilage oder auf der Verpackung Nebenwirkungen oder Risiken angebeben sind (§ 4 Abs. 3 S. 4 HWG):


"Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker" 






Erinnerungswerbung

  • die Bezeichnung des Arzneimittels,
  • die Anwendungsgebiete,
  •  die Nebenwirkungen,
  •  Warnhinweise, soweit sie für die Kennzeichnung der Behältnisse und äußeren Umhüllungen vorgeschrieben sind,
  •  bei Arzneimitteln, die der Verschreibungspflicht nach § 48 des Arzneimittelgesetzes unterliegen, den Hinweis "Verschreibungspflichtig".


Werbeverbot für Packungsbeilagen nach § 4a HWG


§ 4a Abs. 1 HWG verbietet Werbung für andere Arzneimittel oder andere Mittel in der Packungsbeilage eines Arzneimittels. Die für die Packungsbeilage nach § 11 Abs. 1 AMG vorgeschriebenen Pflichtangaben sind keine Werbung im Sinne des Heilmittelwerberechts, weil das Heilmittelwerberecht nicht Angaben verbieten kann, die nach §§ 10, 11 AMG vorgeschrieben sind (BGH v. 21.9.200 - I ZR 12/98 - Werbung in Packungsbeilage eines Arzneimittels).


Werbung in audiovisuellen Medien (Fernsehen, Youtube)


Die Pflichtangaben nach § 4 Abs. 1 HWG müssen in Filmen und im Fernsehen nicht gezeigt werden. Stattdessen muss der folgende Text eingeblendet und gesprochen werden:


"Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker"


Bei Werbung für Heilwässer lautet der Pflichttext:


"Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie das Etikett und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker"


Dies gilt für apothekenpflichtige Arzneimittel und für frei verkäufliche Arzneimittel wenn in der Packungsbeilage oder auf der Verpackung Nebenwirkungen oder Risiken angebeben sind (§ 4 Abs. 3 S. 4 HWG). 



Werbeverbot gegenüber Verbrauchern für verschreibungspflichtige Arzneimittel  nach § 10 HWG


Das eingeschränkte Fachpublikum

Für verschreibungspflichtige Arzneimittel darf nicht gegenüber Verbrauchern, sondern nur gegenüber einem eingeschränkten Fachpublikum geworben werden. Das sind Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker, nicht aber Heilpraktiker, Dentisten, und nichtärztliche Psychotherapeuten. Auch gegenüber Personen, die mit diesen Arzneimitteln erlaubterweise Handel treiben (pharmazeutische Großhändler) darf für verschreibungspflichtige Arzneimittel geworben werden, nicht aber gegenüber Drogisten, Reformhausinhabern und Einzelhändlern, die keine Apotheker sind.


Dieses Werbeverbot gilt auch für Schlafmittel, Psychopharmaka und Arzneimittel zur Notfallkontrazeption (z.B. "Pille danach"), § 10 Abs. 2 HWG.


Pflichthinweis auf Verschreibungspflichtigkeit

Nach § 4 Abs. 1 Nr. 7a HWG muss bei Arzneimitteln, die nach § 48 AMG verschreibungspflichtig sind, der Hinweis "verschreibungspflichtig" erscheinen.



Verbote für Werbung außerhalb der Fachkreise (Verbraucher) nach § 11 HWG für Arzneimittel, Verfahren, Behandlungen, Gegenständen und Mittel


Heilmittelwerbeverbote für Verbraucherwerbung

§ 11 HWG enthält einen Katalog von Werbeverboten gegenüber Verbrauchern für Arzneimittel, Verfahren, Behandlungen, Gegenständen und Mittel.


Nur eingeschränkte Geltung für Medizinprodukte

Für Medizinprodukte gelten nach § 11 Abs. 1 S. 2 HWG die meisten dieser Werbeverbote nicht, sondern nur die Verbote nach § 11 Abs. 1 Nr. 7 bis 9, 11 und 12 HWG.


Werbung mit fachlichen Empfehlungen nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 HWG

Für Heilmittel darf mit Angaben oder Darstellungen, die sich auf eine Empfehlung von Wissenschaftlern, von im Gesundheitswesen und Tiergesundheitswesen tätigen Personen oder anderen Personen beziehen  nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 HWG gegenüber Verbrauchern nicht geworben werden. Eine fachliche Empfehlung muss nicht zwangsläufig von einer bestimmten Person ausgehen. Auch Werbung, die eine Empfehlung durch eine Personengruppe oder eine Branche suggeriert, ist verboten. Ebensowenig muss das Wort "Empfehlung" oder "empfiehlt" erscheinen. 

Beispiele:

Die Werbung
„Die moderne Medizin setzt daher immer öfter auf das pflanzliche Arzneimittel XY®…“
ist eine unzulässige fachliche Empfehlung (BGH, Urteil v. 18.1.2012 − I ZR 83/11 - Euminz).


Auch die Werbung

"ERKÄLTUNGSMEDIKAMENT DES JAHRES 2014 - GEWÄHLT VON [einem Berufsverband der Apotheker]" 

ist eine unzulässige fachliche Empfehlung (OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 12.02.2015 - 6 U 184/14 - Öffentlichkeitswerbung),


ebenso eine Werbung für Hörgeräte mit der Aussage

"Vom HNO-Arzt empfohlen" (OLG Hamm, Urteil v. 13.6.2019 - I-4 U 5/19 - Werbung mit fachärztlicher Empfehlung für ein Hörgerät).


Mit "Wissenschaftlern" sind fachliche Autoritäten gemeint. Das kann auch ein "Studienkreis der Universität Würzburg" sein (OLG Koblenz, Urt. v. 14.12.2016 – 9 U 941/16 - Passionsblume).


Werbung für Arzneimittel mit Prominentenempfehlungen nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 HWG

Prominente haben eine Vorbildfunktion. Werbung mit Empfehlungen von Prominenten gegenüber Verbrauchern für Arzneimittel ist nach § 11 I Nr. 2 HWG ver-boten, wenn die Werbung aufgrund der Bekanntheit der Prominenten zu Arznei-mittelverbrauch anregen kann. Das Verbot der werblichen Verwertung Prominen-ter gegenüber Verbrauchern soll einen emotionsgeleiteten sorglosen Arzneimit-telkauf verhindern.

Verboten ist aber nicht jede Werbung von Prominenten, sondern nur solche, die sich gerade auf Empfehlungen der prominenten Person beziehen. Entscheidend ist, ob die prominente Person in der Werbung in eine Rolle schlüpft oder aber die Werbung suggeriert, sie stünde auch persönlich hinter der Werbeaussage.
 

Beispiel:

In einer Werbung für Schüßler-Salze war eine bekannte Schauspielerin abgebildet. Der Werbetext lautete:


„Für die Balance zwischen Beruf und Familie bin ich selbst verantwortlich – genauso wie für meine Gesundheit - [Name der Schauspielerin], Mutter, Schauspielerin und Unternehmerin“


Das war eine unzulässige Prominentenempfehlung. Denn die Werbung suggerierte, die Schauspielerin stünde auch persönlich als „Mutter, Schauspielerin und Unternehmerin“ hinter der Werbebotschaft. Eine konkrete Handlungsanweisung erfordert eine Prominentenempfehlung nicht. (OLG Karlsruhe, Urteil vom 8.4.2015 – 6 U 66/13 - Unzulässige Arzneimittelwerbung mit Empfehlung einer prominenten Schauspielerin).


Werbung mit Wiedergabe von Krankheitsgeschichten nach § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 HWG

Werbungen mit Krankheitsgeschichten sind an sich zulässig. Nach § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 HWG ist eine Werbung mit einer Krankheitsgeschichte nur dann unzulässig, wenn sie missbräuchlich, abstoßend oder irreführend ist oder durch eine ausführliche Beschreibung oder Darstellung zu einer falschen Selbstdiagnose verleiten kann. Die praktische Bedeutung der Regelung ist dementsprechend gering.


Werbung mit abstoßenden Darstellungen nach § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 HWG

Missbräuchlicher, abstoßender oder irreführende Darstellungen von Veränderungen des menschlichen Körpers durch Krankheiten oder Schädigungen oder die Wirkung eines Arzneimittels sind nach § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 HWG verboten. Eine dezente Darstellung von Lippesherpes ist noch nicht abstoßend (OLG Hamburg, Urteil v. 10.4.2008 - 3 U 182/07 - Darstellung von Lippenherpes in einem TV-Spot).


Verbot der Schleichwerbung mit abstoßenden Darstellungen nach § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 HWG

Veröffentlichungen, deren Werbezweck mißverständlich oder nicht deutlich erkennbar ist (Schleichwerbung) ist ebenfalls unzulässig, § § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 HWG. Hauptanwendungsfälle sind Anzeigen im Gewand redaktioneller Berichterstattung und das Influencer-Marketing.


Werbung mit Äußerungen Dritter nach § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 11 HWG

Nach § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 11 HWG ist Werbung mit Äußerungen Dritter verboten. "Dritte" sind Personen, die im Lager des Werbenden stehen und deren Meinung daher als glaubwürdig gilt. Das Gesetz nennt als solche Äußerungen ausdrücklich Dank-, Anerkennungs- und Empfehlungsschreiben. Betroffen sind aber auch Kundenbewertungen.


Weitere Werbeverbote gegenüber dem allgemeinen Publikum

Ebenfalls unzulässig nach § 11 Abs. 1 S. 1 HWG sind


  • nach § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 HWG Werbeaussagen, die nahelegen, dass die Gesundheit durch die Nichtverwendung des Arzneimittels beeinträchtigt oder durch die Verwendung verbessert werden könnte. Diese Vorschrift wird für missglückt gehalten und sie spielt praktisch keine Rolle. Denn da letztendlich jede Werbung für ein Arzneimittel eine Gesundheitsverbesserung verspricht, ist unklar, was diese Vorschrift regeln soll;

  • nach § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 8 HWG Werbevorträge, mit denen die Anschriften des Vortragenden überreicht oder Anschriften aus dem Publikum entgegengenommen werden. Die Vorschrift zielt auf Kaffeefahrten, bei denen Rheumadecken oder Ähnliches verkauft wird und ist praktisch bedeutungslos;

  • nach § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 12 HWG Werbemaßnahmen, die sich ausschließlich oder überwiegend an Kinder unter 14 Jahren richten;

  • nach § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 13 HWG Preisausschreiben und Gewinnspielen, deren Ergebnis vom Zufall abhängig ist, sofern diese Maßnahmen oder Verfahren einer unzweckmäßigen oder übermäßigen Verwendung von Arzneimitteln Vorschub leisten. Bereits die Teilnahmemöglichkeit an einem Gewinnspiel, bei dem Teilnehmer gegen Einsendung eines Rezepts einen Preis gewinnen können, ist allerdings eine unzulässige Werbegabe im Sinne von § 7 HWG (vgl. BGH, Urteil vom 18.11.2021 – I ZR 214/18 - Gewinnspielwerbung II). Der Anwendungsbereich der Vorschrift ist daher praktisch gering;


  • nach § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 14 HWG Abgaben von Arzneimitteln, deren Muster oder Proben oder durch Gutscheine dafür,

  • nach § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 15 HWG nicht verlangte Abgaben von Mustern oder Proben von anderen Mitteln oder Gegenständen oder durch Gutscheine dafür.


Verbot vergleichender Arzneimittelwerbung nach § 11 Abs. 2 HWG

Gegenüber Verbrauchern darf für Arzneimittel nicht mit Angaben geworben werden, die nahe legen, dass die Wirkung des Arzneimittels einem anderen Arzneimittel oder einer anderen Behandlung entspricht oder überlegen ist. Diese Vorschrift regelt speziell für Arzneimittel die wettbewerbsrechtliche vergleichenden Werbung.


Werbeverbote für operativen plastisch-chirurgischen Eingriffe nach § 11 Abs. 1 S. 3 HWG mit Vorher-Nachher-Bildern

Für die operativen plastisch-chirurgischen Eingriffe nach in § 1 Abs. 1 Nr. 2 c) HWG darf nicht geworben mit der Wirkung einer solchen Behandlung durch vergleichende Darstellung des Körperzustandes oder des Aussehens vor und nach dem Eingriff. "Plastische Chirurgie" ist medizinisch nicht notwendige Chirurgie, beispielsweise

  • eine Haarverpflanzung (LG Berlin, Beschluss vom 12.07.2018 - 52 O 135/18 - Hair Clinic) oder
  • eine Gesäßvergrößerung, "Brazilian Butt Lift" (OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.2.2022 – 15 U 24/21 - Brazilian Butt Lift).


Dabei kommt es nicht darauf an, dass die medizinische Indikation für den beworbenen Eingriff tatsächlich vorlag. Eine Werbung für plastische Chirurgie ist bereits dann verboten, wenn der angesprochene Verkehr nicht erkennen konnte, dass ein operativer plastisch-chirurgischer Eingriff medizinisch nicht notwendig war. Eine Gegenüberstellung von Vorher-/Nachher-Bildern spricht für einen medizinisch nicht notwendigen Eingriff, wenn nicht erkennbar ist, dass sich die krankhaften Beschwerden des dargestellten Patienten verbessert haben (OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.04.2023 – 20 U 66/22 - Verkehrsverständnis bei Werbung für chirurgischen Eingriff der Fettabsaugung an Bauch und Brust).


Verboten sind auch Werbemaßnahmen für operativen plastisch-chirurgischen Eingriffe, die sich ausschließlich oder überwiegend an Kinder und Jugendliche richten.


Verbote für Werbung außerhalb der Fachkreise (allgemeines Publikum) nach § 12 HWG


Werbung für Heilmittel an Adressaten außerhalb der Fachkreise ist nach § 12 HWG auch verboten für Werbung für Arzneimittel, die sich auf die Erkennung, Verhütung, Beseitigung oder Linderung der folgenden aufgeführten Krankheiten oder Leiden beim Menschen bezieht:

1. Nach dem Infektionsschutzgesetz vom 20. Juli 2000 meldepflichtige Krankheiten oder durch meldepflichtige Krankheitserreger verursachte Infektionen,

2. bösartige Neubildungen,

3. Suchtkrankheiten, ausgenommen Nikotinabhängigkeit,

4. krankhafte Komplikationen der Schwangerschaft, der Entbindung und des Wochenbetts.


Werbung für Heilmittel an Adressaten außerhalb der Fachkreise ist nach § 12 HWG auch verboten für Medizinprodukte, die sich auf die Erkennung, Verhütung, Beseitigung oder Linderung der oben unter Nummer 1, 3 und 4 aufgeführten Krankheiten oder Leiden beim Menschen beziehen. Ausgenommen hiervon ist Werbung für In-vitro-Diagnostika gemäß Anlage 3 zu § 3 Absatz 4 der Medizinprodukte-Abgabeverordnung.


Werbung für Heilmittel an Adressaten außerhalb der Fachkreise ist nach § 12 HWG auch verboten für andere Mittel, Verfahren, Behandlungen oder Gegenstände, die sich auf die Erkennung, Beseitigung oder Linderung der in der Anlage zu § 12 HWG aufgeführten Krankheiten oder Leiden beziehen. Ausgenommen hiervon ist Werbung für Verfahren oder Behandlungen zur Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen durch Ärztinnen und Ärzte und Werbung in Heilbädern, Kurorten und Kuranstalten.



Irreführende Werbung für Arzneimittel nach § 3 S. 2 Nr. 1 HWG 


Fehlende wissenschaftlich gesicherte Wirkung 

Eine Irreführung nach § 3 S. 2 Nr. 1 HWG liegt vor, wenn Arzneimitteln Wirkungen beigelegt werden, die sie nicht haben. Insoweit sind – wie allgemein bei gesundheitsbezogener Werbung – besonders strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Werbeaussage zu stellen. Denn mit irreführenden gesundheitsbezogenen Angaben sind erhebliche Gefahren für das hohe Schutzgut des Einzelnen sowie der Bevölkerung verbunden (BGH, Urteil v. 6.2.2013 – I ZR 62/11 - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil).


Nachweis gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse durch Studien

Generell ist gesundheitsbezogene Werbung irreführend, wenn die behauptete Wirkung nicht gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen entspricht (sog. "Strengeprinzip") oder wenn mit einer fachlich umstrittenen Meinung geworben wird, ohne die Gegenmeinung zu erwähnen (BGH, Urteil v. 6.2.2013 – I ZR 62/11 - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil). Studienergebnisse, die in der Werbung oder im Prozess als Beleg einer gesundheitsbezogenen Aussage angeführt werden, sind nur dann hinreichend aussagekräftig, wenn sie nach den anerkannten Regeln und Grundsätzen wissenschaftlicher Forschung durchgeführt und ausgewertet wurden. Dafür ist nach dem sogenannten „wissenschaftlichen Goldstandard“ erforderlich, dass eine randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie mit einer adäquaten statistischen Auswertung vorliegt, die durch Veröffentlichung in den Diskussionsprozess der Fachwelt einbezogen worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 2.10.2008 - I ZR 51/06 – Priorin). Die Studie muss das beworbene Produkt betreffen und die Werbeaussage stützen. In der Studie genannte Zweifel an der Wirksamkeit müssen auch in der Werbung genannt werden (OLG Karlsruhe, Urteil vom 25.01.2023 – 6 U 373/22 - Ableitung von Elektrosmog durch Erdungsbetttuch).


Eine wissenschaftliche Studie muss neutral sein. Einer Neutralität steht es nicht entgegen, wenn die Studie von dem Hersteller selbst gesponsert wurde. Denn es wäre unzumutbar, wenn ein Unternehmen jeweils ein wissenschaftliches Interesse abwarten müsste. Zweifel an der Neutralität entstehen aber, wenn das Design der Studie näher mit dem Hersteller abgesprochen wird (vgl. KG Berlin, Urt. v. 27. 11. 2015 – 5 U 20/14 - Irreführende Werbung mit der Dauerhaftigkeit eines Therapieerfolges für Cellulite-Behandlungen).


Wissenschaftlich gesicherte Wirkung bei zulassungspflichtigen Arzneimitteln

Bei zulassungspflichtigen Arzneimitteln ist die Registrierung ein Indiz, dass das Medikament dem gesicherten Stand der Wissenschaft entspricht. Bei Angaben, die der Zulassung des Arzneimittels wörtlich oder sinngemäß entsprechen, ist davon auszugehen, dass sie im Zeitpunkt der Zulassung dem gesicherten Stand der Wissenschaft entsprechen, auch bezüglich der angegebenen therapeutischen Wirksamkeit (BGH, Urt. v. 6. 2. 2013 – I ZR 62/11 - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil). Solche Angaben finden sich in der Fachinformation (§ 11a AMG), die dem Zulassungsantrag eines Arzneimittels beizufügen ist. Dieses Indiz kann aber widerlegt werden, wenn nach dem Zulassungszeitpunkt bekanntgewordene oder der Zulassungsbehörde bei der Zulassungsentscheidung sonst nicht zugängliche wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, die gegen die wissenschaftliche Tragfähigkeit der durch die Zulassung belegten Aussagen sprechen (BGH, Urt. v. 7.5.2015 – I ZR 29/14 - Äquipotenzangabe in Fachinformation).


Keine wissenschaftlich gesicherte Wirkung bei traditionellen pflanzlichen Arzneimitteln

Bei traditionell registrierten pflanzlichen Arzneimitteln (§ 39a AMG) gilt dieser Grundsatz nicht. Denn zwischen der Zulassung eines Arzneimittels und der Registrierung eines traditionellen pflanzliches Arzneimittels bestehen Unterschiede. Bei der Registrierung eines traditionellen pflanzliches Arzneimittels ist nämlich trotz des gleichen Einreichungsformats kein vollständiges Dossier einzureichen, insbeson-dere ist die Wirksamkeit nicht durch produktspezifische klinische Studien zu be-legen. Einzureichen ist im Wesentlichen nur der bibliografische Nachweis, dass das Arzneimittel seit mindestens 30 Jahren medizinisch verwendet wird und Wirksamkeit aufgrund der langjährigen Erfahrung plausibel und unbedenklich ist (OLG Jena, Urteil vom 03.07.2019 – 2 U 626/18 - Stärkt das Immunsystem).


Verbotene irreführende Arzneimittelbezeichnungen nach § 8 AMG


Strengeprinzip für Arzneimittelbezeichnungen

Nicht erst die Werbung, sondern bereits das Herstellen oder Inverkehrbringen von Arzneimitteln mit irreführenden Bezeichnungen ist verboten (§ 8 AMG). Angesichts der Bedeutung des Rechtsguts Gesundheit und der mit falschen Erwartungen an Arzneimittel verbundenen Gesundheitsrisiken müssen nach dem "Strengeprinzip" Bezeichnungen von Arzneimittel besonders wahr, eindeutig und klar sein (OVG Münster, Urteil vom 17.06.2013 - 13 A 1113/11; BGH v. 6.2.2013 – I ZR 62/11 - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil).


Irreführende Arzneimittelbezeichnungen bei Dachmarken-Strategie

Bei Namen bzw. Bezeichnungen von Waren, die sich aus mehreren Bestandteilen zusammensetzen, misst der Verbraucher dem - typischerweise vorangestellten - Hauptbestandteil meistens besondere Bedeutung für die Art bzw. Qualität der jeweiligen Ware zu. Wenn der Hauptbestandteil einer mehrteiligen Bezeichnung aus einer Dachmarke besteht, die seit mehreren Jahren für bestimmte Arzneimittel genutzt wird, besteht die Gefahr, dass Verbraucher, die ein solches Präparat dieser Marke kennen, ein dieselbe Hauptbezeichnung führendes (neues) Arzneimittel hinsichtlich seines Anwendungsgebiets und seiner therapeutischen Wirksamkeit als zumindest als ähnlich wahrnehmen und daher getäuscht werden (OVG Münster v. 17.6.2013 - 13 A 1113/11; vgl. auch OLG Frankfurt v. 22.5.2020 – 6 U 23/20 - Präsentationsarzneimittel).


Beispiel (OVG Münster, Urteil v. 17.6.2013 - 13 A 1113/11):

Ein Hersteller vertreibt verschiedene dermatologisches Arzneimittel seit Jahrzehnten unter einer einheitlichen Dachmarke. Diese stellt den ersten Teil der jeweiligen Bezeichnungen dar. Einziger Wirkstoff ist ein Antihistaminikum. Außerdem vertreibt der Hersteller eine arzneiliche Creme gegen Lippenherpes dessen einziger Wirkstoff das antiviral wirkende Penciclovir ist. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM lehnte diese neue Bezeichnung zu Recht ab, da die Nutzung derselben Dachmarke bei abweichendem Wirkstoff irreführend ist. Denn bei der neuen Bezeichnung geht ein erheblicher Teil der Verbraucher aufgrund der Hauptbezeichnung (Dachmarke) davon aus, dass dieses Arzneimittel therapeutische Wirkungen entfaltet, die denen der übrigen antihistaminen Präparate gleichen oder zumindest ähneln. Eine solche Gleichheit oder zumindest Ähnlichkeit liegt aber tatsächlich nicht vor. Während die meisten Dachmarken-Präparate für die Bekämpfung allergischer Reaktionen als Wirkstoff ein Antihistaminikum enthalten, befindet sich in der Creme gegen Lippenherpes allein der antivirale Wirkstoff Penciclovir.


Irreführende Werbung für Medizinprodukte nach § 3 HWG


Medizinprodukte (mit Ausnahme von In-vitro-Diagnostika) gehören zwar nicht mehr ausdrücklich zum Anwendungsbereich des § 3 HWG. Stattdessen besteht mit Art. 7 MDR ein Europäisches Irreführungsverbot für Medizinprodukte. Bei Anwendung des Art. 7 MDR kann aber auf die Kriterien der Rechtsprechung zu § 3 HWG zurückgegriffen werden. Letztlich gelten also nach beiden Bestimmungen die gleichen Anforderungen für Wirkungsaussagen auch für Medizinprodukte (OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 2.12.2021 – 6 U 121/20 - Heilerde zur Entgiftung).


Irreführende Werbung für andere Mittel nach § 3 S. 2 Nr. 1 HWG

 

Das Verbot irreführender Werbung gilt auch für "andere Mittel" im Sinne des § 1 I Nr. 2 HWG. Solch ein anderes Mittel kann beispielsweise ein Liquid mit dem Extrakt CBD (Cannabidiol), das in Vaporisatoren eingesetzt und zum Inhalieren verwendet werden soll, sein. DIe Werbung für ein solches Liquid mit den Worten

"Wussten Sie, dass man mittels gesundem Vaporisieren von CBD vom schädlichen Zigarettenrauchen loskommen kann?"

ist eine unzulässige gesundheitsbezogene Aussage, wenn diese Wirkung nicht belegt ist (LG Essen, Urteil v. 17.6.2021 - 43 O 72/20 - Werbung für CBD-Produkt zur Bekämpfung der Nikotinsucht).

 

Was ist Irreführung im Sinne des § 3 S. 2 Nr. 2 HWG?


Irreführende Erfolgsversprechen nach § 3 S. 2 Nr. 2 a) HWG

Eine Irreführung nach § 3 S. 2 Nr. 2 a) HWG liegt besonders dann vor, wenn fälschlich der Eindruck erweckt wird, dass ein Erfolg mit Sicherheit erwartet werden kann,

Beispiel: 
Eine Werbung für eine Zahnspange mit den Worten

"perfekte Zähne"

ist irreführend, weil hier auch ein objektiver Behandlungserfolg versprochen wird, nämlich gerade Zähne (OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 27.2.2020 – 6 U 219/19 - perfekte Zähne).


Irreführung über schädlichen Wirkungen oder Verschleierung des Wettbewerbscharakters, §§ 3 S. 2 Nr. 2 b) und c) HWG

Eine Irreführung nach § 3 S. 2 Nr. 2 b) HWG liegt vor, wenn suggeriert wird, dass bei bestimmungsgemäßem oder längerem Gebrauch keine schädlichen Wirkungen eintreten oder die die Werbung nicht zu Zwecken des Wettbewerbs veranstaltet wird, § 3 S. 2 Nr. 2 c) HWG. Die letzteren Fälle erfasst Werbung, die über den kommerziellen Charakter täuscht, indem sie beispielsweise Uneigenützigkeit vortäuscht, z.B. durch wissenschaftlich getarnte Werbevorträge und redaktionell aufgemachte Anzeien (Schleichwerbung).


Irreführungen nach § 3 S. 2 Nr. 3) HWG

Irreführend ist es nach § 3 S. 2 Nr. 3 HWG, wenn unwahre oder zur Täuschung geeignete Angaben über die Zusammensetzung oder Beschaffenheit von Arzneimitteln, Gegenständen oder anderen Mitteln oder über die Art und Weise der Verfahren oder Behandlungen oder über die Person, Vorbildung, Befähigung oder Erfolge des Herstellers, Erfinders oder der für sie tätigen oder tätig gewesenen Personen gemacht werden.


Unzulässige Werbung für (so) nicht zugelassene Arzneimittel nach § 3a HWG


Nach § 3a HWG ist eine Werbung für Arzneimittel unzulässig, die der Pflicht der Zulassung unterliegen und die nicht nach den arzneimittelrechtlichen Vorschriften zugelassen sind oder als zugelassen gelten. Dieses Werbeverbot gilt auch, wenn mit einem Anwendungsgebiet geworben wird, das nicht von der Zulassung umfasst ist (§ 3a S. 2 HWG).


Beispiel:

Ein homöopathisches Arzneimittel aus Heilpflanzen wie Echinacea, Kamille, Holunder und Blutwurz ist zugelassen für das Anwendungsgebiet "Besserung der Beschwerden bei Mittelohrentzündungen und Schnupfen". Es verfügt laut Fachinformation über eine "Akutdosierung". Das Arzneimittel wurde beworben mit der Aussage


"Erste Hilfe bei Mittelohrentzündung/Ohrenschmerzen“, „… lindert schnell die Schmerzen“, „… hilft bereits seit Generationen“, „… 67 % weniger Antibiotika“ und “… wirkt entzündungshemmend/schmerzlindernd".



Das war irreführend gemäß § 3 HWG und unzulässig gemäß § 3a S. 2 HWG. Denn zum einen meinte "akut" aus dem Zusammenhang der Fachinformation nur das Gegenteil von "chronisch". Außerdem suggeriert "Erste Hilfe" eine Schmerzlinderung in Notsituationen. Dafür war das Arzneimittel nicht zugelassen, ebensowenig für eine Anwendung bei Ohrenschmerzen (OLG München, Urteil vom 24. Februar 2022 – 29 U 7517/20 - Erste Hilfe bei Ohren-schmerzen.


Das Verbot ist nicht nur verletzt, wenn in der Werbung eine nicht von der Zulassung erfasste Indikation explizit genannt wird, sondern auch wenn ein über das zugelassene Anwendungsgebiet (d.h der Indikation) hinausgehender Oberbegriff verwendet wird (BGH, Urteil vom 13.3.2008 - I ZR 95/05 - Amlodipin).


Beispiel:
Ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel ist für die Anwendungsgebiete "chronisch stabile Angina pectoris (Belastungsangina) und vasospastische Angina pectoris (Prinzmetal-Angina, Variant-Angina)" zugelassen, nicht dagegen zur Behandlung von instabiler Angina pectoris. Beworben wurde das Arzneimittel mit der Aussage


„Arzneimittel zur Behandlung des Bluthochdrucks und der Angina pectoris”


Das war unzulässig. Denn der Oberbegriff "Angina pectoris" umfasst auch eine instabile Angina Pectoris, für die das Arzneimittel nicht zugelassen ist (BGH, Urteil vom 13.3.2008 - I ZR 95/05 - Amlodipin).


Beispiel:

Ein homöopathisches Arzneimittel ist für das Anwendungsgebiet „rheumatische Schmerzen in Knochen, Knochenhaut, Gelenken, Sehnen und Muskeln sowie Folgen von Verletzungen und Überanstrengungen“ zugelassen. Es wurde beworben mit der Aussage


„Das Allround-Talent gegen Schmerzen“ und
"
Kann noch nicht glauben, dass meine Schmerzen einfach weg sind“.


Das war unzulässig, weil sich diese Aussagen nicht auf das Anwendungsgebiet "rheumatische Schmerzen" beschränkt (OLG München Urt. v. 19.9.2019 – 6 U 467/19 - Allround-Talent).


Daneben ist es auch unzulässig, bei einem allgemein gehaltenen Anwendungsgebiet mit spezifischen Indikationen zu werben, die sich nicht ohne weiteres aus der Basisindikation ergeben.


Beispiel: 
Ein Arzneimittel verfügt über eine sogenannte Nachzulassung nach § 109a Abs. 3 AMG als traditionelles Arzneimittel „
zur Besserung des Allgemeinbefindens”. Es wurde beworben mit den Worten "Geistige Fitness".


Das war unzulässig, weil sich die Zulassung nur auf ein allgemeines Anwendungsgebiet bezog und sich eine Auswirkung auf die geistige Fitness sich nicht aus dieser Basisindikation ergab (OLG Köln, Urteil v. 8.5.2009 - 6 U 233/08 - Geistige Fitness).


Dagegen ist es erlaubt, in der Werbung auf (zusätzliche) Wirkungen des Arzneimittels hinzuweisen, die mit der zugelassenen Indikation in einem ursächlichen Zusammenhang stehen, wenn dieser Zusammenhang und das Fehlen einer eigenständigen Indikation aus der Werbung hervorgeht, so dass der Verkehr die beanstandete Angabe nur als Wirkungsaussage und nicht als Hinweis auf ein Anwendungsgebiet versteht (LG Düsseldorf, Urteil vom 10. Oktober 2022 – 37 O 41/21).


Das Werbeverbot des § 3a HWG gilt allerdings nicht für ein Arzneimittel, das gem. § 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG in den wesentlichen Herstellungsschritten in einer Apotheke in einer Menge bis zu hundert abgabefertigen Packungen an einem Tag im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs hergestellt wird (BGH, Urteil v. 9.2.2017 – I ZR 130/13 - Weihrauch-Extrakt-Kapseln II).



Werbeverbot für Anwendungsgebiete für registrierte oder von der Registrierung freigestellte homöopathische Arzneimitteln nach § 5 HWG


Homöopathische Arzneimittel

Für homöopathische Arzneimittel, die nicht zugelassen, sondern nur registriert sind oder von der Registrierung freigestellt sind, darf mit Anwendungsgebieten nicht geworben werden. Ein homöopathisches Arzneimittel ist nach der Definition  des § 26 Abs. 26 AMG ein Arzneimittel, das nach einem im Europäischen Arzneibuch oder, in Ermangelung dessen, nach einem in den offiziell gebräuchlichen Pharmakopöen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beschriebenen homöopathischen Zubereitungsverfahren hergestellt worden ist. Nach der Rechtsprechung (KG, Urteil vom 18.09.2018 - 5 U 15/17 - Unzulässige Werbung für ein homöopathisches Arzneimittel) kann auch die Art und Weise der Werbung auf ein homöopathisches Arzneimittel hinweisen, so z.B. das Wort "Globuli", die Angabe eines Wirkstoffs (im Fall "C 30" und "HCG") die Abbildung eines typischen Arzneimittelfläschchens mit Schraubverschluss und ein vergleichsweiser hoher Preis (im Fall: 20 g-Packung zu 31,90 €, 100 g-Packung zu 139,90).


Ein Wirksamkeitsnachweis ist bei homöopathischen Arzneimitteln wegen der hohen Verdünnung nicht möglich (amtliche Begründung zu § 36 AMG, BT-Drs. 7/3060, 52 f.). Eine Werbung mit einem Anwendungsgebiet (Indikation) ist daher nach § 5 HWG bei registrierten homöopathischen Arzneimitteln grundsätzlich verboten, und zwar sowohl gegenüber Fachkreisen, als auch gegenüber Verbrauchern.


Beispiel für Verstoß gegen § 5 HWG:

Werbung im Sinne von § 5 HWG ist es auch, wenn ein Dienstleister (z.B. für Diättherapien mit ärztlicher und ernährungswissenschaftlicher Begleitung) für bestimmte homöopathische Arzneimittel wirbt mit den Worten

„Obendrein kurbeln regelmäßige homöopathische Gaben den Stoffwechsel stark an und liefern zusätzliche Mineralstoffe. So ist es keine Seltenheit, dass Teilnehmer in einem Monat bis zu zwölf Kilo an Gewicht verlieren“ (LG Köln, Urteil v. 21.2.2017 - 81 O 87/16 - Diät-Therapiezentrum).


Kein Werbeverbot für zugelassene homöopathische Arzneimittel

Dieses Werbeverbot gilt aber nur für registrierte homöopathische Arzneimittel, nicht aber für zugelassene homöopathische Arzneimittel. Für zugelassene homöopathische Arzneimittel darf also mit einer Indikation geworben werden, wobei die Zulassung ein Indiz für den Wirksamkeitsnachweis im Prozess ist (siehe oben). Eine Irreführung liegt für zugelassene homöopathische Arzneimittel aber dann vor, wenn die Werbung das zugelassene Indikationsgebiet verlässt (siehe oben: OLG München, Urteil v. 19.9.2019 - 6 U 467/19 - Allround-Talent).


Verbot von Zuwendungen und anderen Werbegaben nach § 7 HWG


Rabatte

Nach § 7 HWG darf mit Zuwendungen und anderen Werbegaben nur eingeschränkt geworben werden. Diese Einschränkung hat Auswirkung auf Geldrabatte und auf Naturalrabatte (Mengenrabatte). Den eine "Werbegabe" ist jede aus der Sicht des Empfängers nicht berechnete geldwerte Vergünstigung (BGH, Beschl. v. 20.2.2020 – I ZR 214/18 – Gewinnspielwerbung I). Barrabatte sind zulässig, wenn es sich um einen bestimmbaren Geldbetrag handelt (§ 7 I Nr. 2 a) HWG). Mengenrabatte sind zulässig, wenn als Zuwendung ein gleiches Produkt gewährt wird (§ 7 I Nr. 2 b) HWG).


Ausnahmen vom Zuwendungsverbot

Nicht jede Zuwendung oder Werbegabe ist verboten. Erlaubt sind geringwertige Gegenstände. Diese müssen aber mit einer dauerhaften und deutlich sichtbaren Bezeichnung des Werbenden oder des beworbenen Produkts oder beider gekennzeichnet sein. Ohne Werbeaufdruck sind nur geringwertige Kleinigkeiten zulässig. Zulässig sind nach § 7 Nr. 5 HWG auch Kundenzeitschriften (z.B. "Apotheken Umschau").


Für den Bereich der Arzneimittelpreise sind § 78 II Arzneimittelgesetz (AMG) i.V.m. §§ 1 I und IV, 3 Arzneimittelpreisverordnung zu beachten, insbesondere die Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel. Ob Rabatte und Skonti verbotene Werbegaben darstellen, ist aber auch im Rahmen den § 7 HWG an den arzneimittelrechtlichen Preisvorschriften zu messen. Liegen keine Verstöße gegen arzneimittelrechtliche Preisvorschriften vor, sind Rabatte und Skonti nicht nach § 7 I 1 HWG unzulässig, weil der Ausnahmetatbestand des § 7 I Nr. 2 Buchst. a HWG eingreift (BGH v. 5.10.2017 – I ZR 172/16 – Großhandelszuschläge). 


Beispiele für Verstöße gegen § 7 HWG 

  • Die Möglichkeit, an einem Gewinnspiel teilzunehmen, ist eine unzulässige Werbegabe im Sinne von § 7 HWG (BGH, Urteil vom 18.11.2021 – I ZR 214/18 - Gewinnspielwerbung II)
  • Die Ausgabe eines Gutscheins für Brötchen bei Erwerb eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels in einer Apotheke ist eine unzulässige Werbegabe (BGH, Urteil v. 6.6.2019 - I ZR 206/17 - Brötchen-Gutschein).
  • Die kostenlose Ausgabe eines Ein-Euro-Gutscheins durch eine Apotheke bei einem Arzneimittelkauf, der bei der nächsten Vorlage eines preisgebundenen rezeptpflichtigen Arzneimittels eingelöst werden kann, ist eine unzulässige Werbegabe (BGH, Urteil v. 6.6.2019 – I ZR 60/18 - 1 Euro-Gutschein).



Werbung für Fernbehandlungen nach § 9 HWG per Telefon, Video-Chat oder App


§ 9 HWG verbietet Werbung, nicht die Fernbehandlung

Nach § 9 HWG ist eine Werbung für Fernbehandlung nur dann erlaubt, wenn nach allgemein anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem Patienten nicht erforderlich ist. § 9 HWG verbietet nicht die Fernbehandlung an sich, sondern nur die Werbung hierfür (OLG München, Urteil v. 9.7.2020 - 6 U 5180/19 - Werbung für ärztliche Fernbehandlung per App). Deshalb kommt es nicht darauf an, ob die beworbene Behandlung, z.B. durch ausländische Ärzte, überhaupt berufsrechtlich zulässig ist (BGH, Urteil v. 9.12.2021 - I ZR 146/20 - Werbung für Fernbehandlung).


Anerkannte fachliche Standards

Was ein anerkannter fachlicher Standard ist, richtet sich nach § 630a II BGB. Danach gibt ein fachlicher Standard Auskunft darüber, welches Verhalten von einem gewissenhaften und aufmerksamen Arzt in der konkreten Behandlungssituation aus der berufsfachlichen Sicht seines Fachbereichs im Zeitpunkt der Behandlung erwartet werden kann. Er repräsentiert den jeweiligen Stand der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und der ärztlichen Erfahrung, der zur Erreichung des ärztlichen Behandlungsziels erforderlich ist und sich in der Erprobung bewährt hat (BGH, Urteil v. 9.12.2021 - I ZR 146/20 - Werbung für Fernbehandlung). Anerkannten fachlichen Standards sind die Leitlinien medizinischer Fachgesellschaften und die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses gemäß § § 92, SGB V, § 136 SGB V. Auch unabhängig davon können sich fachliche Standards bilden (OLG München, Urteil v. 5.10.2021 - 29 U 7344/21 - Irische Impotenzfernbehandlung).


Auf Einschränkungen muss man schon in der Werbung hingeweisen

Einschränkungen der beworbenen Fernbehandlung auf solche Behandlungen, für die ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem Patienten nicht erforderlich ist, müssen schon in der Werbung und nicht etwa als Hinweis auf einer verlinkten Zielseite (Landing Page) erscheinen (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil v. 22.12.2022 – 4 U 262/22 - Werbung eines Marktplatzbetreibers von Internet-Apotheken für Inanspruchnahme ärztlicher Videosprechstunden).


Beispiele für Verstöße gegen § 9 HWG:

  • Es entspricht nicht den allgemein anerkannten fachlichen Standards, ohne persönlichen ärztlichen Kontakt per App Erektionsstörungen, Haarausfall oder vorzeitigen Samenergusses bei Männern zu diagnostizieren oder zu behandeln, vor allem wenn eine Medikamentenverordnung wahrscheinlich ist (OLG München, Urteil v. 5.10.2021 - 29 U 7344/21 - Irische Impotenzfernbehandlung).
  • Auch für eine Behandlung für "Alltagsleiden", wie wie grippale Infekte, Verdauungsbeschwerden und Hauterkrankungen darf nicht ohne weiteres mit einer Fernbehandlung geworben werden (vgl. BGH, Urteil v. 9.12.2021 - I ZR 146/20 - Werbung für Fernbehandlung)
  • Eine Werbung für pauschale (krankheitsunspezifische) ärztliche Videosprechstunden ist unzulässig (OLG Karlsruhe, Urteil v. 22.12.2022 – 4 U 262/22 - Werbung eines Marktplatzbetreibers von Internet-Apotheken für Inanspruchnahme ärztlicher Videosprechstunden).
  • Die Ausstellung von Rezepten für verschreibungspflichtigen Arzneimitteln über eine Internetweite durch Ärzte, die den Patienten nicht bereits zuvor behandelt haben, verstößt gegen § 9 HWG (Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Hinweisbeschluss vom 15.8.2023 – 5 U 93/2 - Rezeptservice).


Weitere Beispiele für Verstöße gegen das Heilmittelwerbegesetz


Beispiele aus der Rechtsprechung

  • Irreführend sind die folgenden Werbeaussagen für ein Medizinprodukt (Heilerde):
    „Zur Unterstützung des Organismus bei der Körperentgiftung“,
    „Baut als mineralischer Katalysator freie Radikale aus der Nahrung ab“,
    „Bei Lebensmittelunverträglichkeit durch Histamin-Intoleranz“,
    „natürliche Entgiftung“,
    „Zahlreiche Studien zeigen, dass Schadstoffe und Umweltgifte den Organismus schädigen und Zellen sogar funktionsuntüchtig machen können. Müdigkeit, geringere körperliche und geistige Leistungsfähigkeit oder ein geschwächtes Immunsystem können die Folge sein. Regelmäßiges Entgiften, kann Wohlbefinden, Abwehrbereitschaft und Vitalität des gesamten Organismus fördern“,
    "Innere Reinigung für einen gesunden Körper“,
    "Körperentgiftung und Entschlackung unterstützen“,
    "Leber und Nieren entlasten“,
    „Gegen belastende Substanzen, Schwermetalle, Weichmacher sowie Bakterien- und Schimmelpilzgifte aus der Nahrung“,
    „Aktiver Schutz vor freien Radikalen“,
    „X® Heilerde kann als mineralischer Katalysator freie Radikale natürlich und effektiv aus der Nahrung abbauen und vor Folgeschäden durch oxidativen Stress schützen“,
    „X® Heilerde kann Histamine und andere biogene Amine aus der Nahrung binden. Die Beschwerden können gelindert und die Lebensqualität natürlich verbessert werden“

    (OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 2.12.2021 – 6 U 121/20 - Heilerde zur Entgiftung)

  • Vorher-/Nachherabbildungen verstoßen oft gegen § 11 Abs. 1 HWG (z.B. OLG Düsseldorf, Urteil vom 27. April 2023 – I-20 U 66/22).



Beispiele für Verstöße gegen das HWG bei Nahrungsergänzungsmitteln (NEM)


Beispiele aus der Rechtsprechung

  • Bei Nahrungsergänzungsmitteln darf nicht der fälschliche Eindruck erweckt werden, es handele sich um Arzneimittel. Die Anbringung des Warnhinweises „Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker“ ist daher irreführend, da der fälschliche Eindruck entsteht, dass es sich bei diesen Produkten um Arzneimittel handelt (OLG Dresden, Urt. v. 15. 01. 2019 – 14 U 941/18).
  • Trotz der – gut lesbaren – Hinweise auf der Verpackung, dass es sich um „Tabletten zur Nahrungsergänzung” handelt, kann ein Produkt als (Präsentations-)Arzneimittel einzustufen sein, wenn die blickfangmäßig herausgestellte Produktbezeichnung, Schriftbild und Farbgebung den Verbraucher an bekannte Arzneimittel erinnern, und wenn es ausschließlich in Apotheken abgegeben wird (OLG Köln, Urteil vom 12. 10. 2007 - 6 U 56/07 Donaprevent)
  • Ein Produkt zum Aufbau von Muskelmasse ist nicht zwangsläufig als Arzneimittel einzustufen. Eine die Muskeln aufbauende Wirkung eines Mittels weist nicht stets und zwangsläufig auf einen arzneilichen Anwendungszweck hin. In Betracht kommt vielmehr auch, daß ein solches Mittel der Befriedigung besonderer physiologischer Bedürfnisse und sich daraus ergebender Ernährungserfordernisse einer speziellen Personengruppe - wie hier der Hochleistungs-, Kraft- oder Ausdauersporttreibenden - dient und damit ein diätetisches Lebensmittel i.S. des § 1 Abs. 2 Nr. 1 lit. b DiätVO darstellt (BGH, Urteil vom 6. 5. 2004 - I ZR 275/01 - Sportlernahrung II).


Verstöße gegen die Health-Claims-Verordnung (HCVO) bei Werbung für Nahrungsergänzungsmittel


Irreführungsverbot nach der HCVO

Werbung für Nahrungsergänzungsmittel auch gegen das Lebensmittelrecht verstoßen. Für Lebensmittel gilt die „Health-Claims-Verordnung" (Verordnung [EG] Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.12.2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel - HCVO). Die HCVO regelt "gesundheitsbezogene Angaben" für Lebensmittel. Sie soll Verbraucher verständlich informieren. Nach der Health-Claims-Verordnung dürfen nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben nicht falsch, mehrdeutig oder irreführend sein. Sie dürfen beispielsweise auch nicht zum übermäßigen Lebensmittelverzehr ermutigen. Der Ausdruck „gesundheitsbezogene Angabe" bezeichnet nach Art. 2 II Nr. 5 HCVO jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht.


Gesundheitsbezogen ist eine Werbung, wenn die beworbene Behandlung auf die Gesundheit zielt. Sie ist es aber auch dann, wenn es um ästhetische Ziele geht, wenn bei der Behandlung in die körperliche Integrität eingegriffen wird, beispielsweise eine Fettentfernung durch eine Kryolipolyse-Behandlung (OLG München, Urteil v. 5.7.2018 - 29 U 1866/17 - Bye-bye-Hüftgold). 


Angaben über Nährwerte und gesundheitsbezogene Angaben müssen wissenschaftlich nachweisbar sein. Sie müssen den tatsächlichen Nährwert- oder Gesundheitsnutzen des Produkts wiedergeben. Aussagen über das allgemeine Wohlbefinden („bekömmlich“, „wohltuend“) sind als „gesundheitsbezogene Angaben“ ein Verstoß gegen die Health-Claims-Verordnung. Verstöße gegen die Health-Claims-Verordnung sind - wie Verstöße gegen andere lebensmittelrechtliche Vorschriften auch - wettbewerbsrechtlich relevant i. S. d. § 3a UWG, weil es sich um "Marktverhaltensregeln" handelt (OLG Nürnberg, ZLR 2008, 731; LG Düsseldorf, GRUR-RR 2008, 439; LG Berlin, Urteil vom 28.01.2010 - 52 O 185/09).


Beispiele für irreführende Werbeaussagen nach der Health-Claims-Verordnung für Nahrungsergänzungsmittel:

  • „verringert die Müdigkeit"
    für ein Nahrungsergänzungsmittel (LG Hannover, Urteil v. 29.11.2022 - 32 O 125/22 - Werbung für Lebensmittel und Gegenstände mit suggerierter Heilungsfunktion)
  • „Anti-Hangover-Drink"
    ist unzulässig für ein Nahrungsergänzungsmittel, das einen "Kater" nach Alkoholkonsum vorbeugen bzw. lindern soll (OLG Frankfurt v. 12.9.2019 - 6 U 114/18).
  • „Weniger sichtbare Falten", "für ein ... jugendliches Aussehen"
    ist unzulässig
    für ein in Apotheken vertriebenes Nahrungsergänzungsmittel (LG Dortmund v. 4.9.2018 - 25 O 358/17 - Elasten-Trinkkur).
  • „Stoppen Sie jetzt das Gehör-Altern!"
    „Endlich! Wie Sie etwas gegen Ohrgeräusche von innen tun - und Hören von außen stärken“
    „So stärken Sie jetzt Ihr Gehör und machen es wieder wie jung: Natur weiß die Antwort"
    "... Wer mit schlechtem Hören kämpft oder gar unter Tinnitus leidet, kennt diesen Schwindel. Tun Sie deshalb rechtzeitig etwas für Ihre Ohren. Mutter Natur hat wieder einmal das richtige Rezept für Sie. Sanfte Naturstoffe statt harter Chemiekeulen. ... verjüngt Ihr Gehör. Sorgt für Ihre bessere Lebens- Qualität“

    für ein Nahrungsergänzungsmittel (LG Berlin, Urteil vom 28.01.2010 - 52 O 185/09)


Health-Claims-Verordnung - Liste (PDF) zulässiger Angaben

Hier findet man die deutsche Version der Liste zulässiger gesundheitsbezogener Angaben über Lebensmittel (Health Claims) nach Verordnung (EU) Nr. 432/2012 der Kommission. Diese Liste beruht auf Art 13 II der Health Claims Verordnung.


Verstöße gegen die Lebensmittel-Informationsverordnung (LMIV)


Oft wird Werbung für Nahrungsergänzuungsmittel auch wegen Verstößen gegen das Lebensmittelrecht abgemahnt. Der Begriff "Lebensmittel" ist definiert in Art. 2 Ia) LMIV i.Vm. Art. 2 Verordnung (EG) Nr. 178/2002 (Lebensmittelbasisverordnung). Lebensmittel dürfen keine Eigenschaften der Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit zugeschrieben werden (Art. 7 III LMIV). Damit soll verhindert werden, dass das Lebensmittel als Arzneimittelersatz angesehen wird.


Beispiele für Versöße gegen die LMIV bei Nahrungsergänzungsmitteln:

  • Die Werbung für ein Nahrungsergänzungsmittel aus "Silber-Weiden-Rinde" mit der Aussage
    "Pflanzliches Aspirin. Die Kraft der Natur gegen Schmerzen und Entzündungen" 
    ist unlauter. Denn es liegen unzulässige krankheitsbezogene Äußerungen vor (Beispiel KG Berlin v. 4.10.2022 – 5 U 1048720 - Krankheitsbezogene Werbeaussagen für verschiedene Nahrungsergänzungsmittel).




Abmahnung im Heilmittelwerberecht

Mitbewerber und Verbände können Verstöße gegen das Heilmittelwerberecht verfolgen


Abmahnungen von Mitbewerbern, qualifizierten Wirtschaftsverbänden und qualifizierten Einrichtungen

Das Irreführungsverbot des § 3 HWG ist eine Marktverhaltensregel (BGH, Urteil v. 5.11.2020 – I ZR 204/19 – Sinupret), ebenso das Verbot von Werbung außerhalb der Fachkreise nach § 12 HWG (OLG Hamm, Urteil 9.2.2023 – 4 U 144/22 - Unlautere Heilmittelwerbung) und § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HWG, das Verbot der Heilmittelwerbung mit fachlichen Empfehlungen (BGH, Urt. v. 18.1.2012 − I ZR 83/11 - Euminz) und das Werbeverbot für operativen plastisch-chirurgischen Eingriffe nach § 11 Abs. 1 S. 3 (OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.04.2023 – 20 U 66/22 - Verkehrsverständnis bei Werbung für chirurgischen Eingriff der Fettabsaugung an Bauch und Brust). Diese Verbote können daher von Mitbewerbern, qualifizierten Wirtschaftsverbänden (z.B. dem Verband Sozialer Wettbewerb e.V. oder der Wettbewerbszentrale) und qualifizierten Einrichtungen mit wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen und einstweiligen Verfügungen verfolgt werden.


Häufig abgemahnte Verstöße

  • Klassische Verstöße gegen das Heilmittelwerbegesetz (HWG) sind beispielsweise irreführende Werbungen für Arzneimittel mit Rezeptfreiheit.
  • Häufig beanstandet werden auch Verstöße gegen das Zuwendungsverbot (§ 7 Abs. 1 HWG), beispielsweise produktbezogene Werbung mit nicht nur geringwertigen Zuwendungen (z.B. Gutscheine, Prämien) oder kostenloser Beratung.
  • Häufig werden auch die nach §§ 11 ff. HWG verbotenen bestimmten Werbungen außerhalb der Fachkreis beanstandet, z.B. Werbung mit Empfehlungen von Testimonials gegenüber Verbrauchern.
  • Bei Werbung mit wissenschaftlichen Studien wird regelmäßig beanstandet, dass diese nicht den anerkannten Regeln der wissenschaftlichen Forschung entsprechen. Das ist der Fall, wenn keine randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie mit einer adäquaten statistischen Auswertung vorliegt, die durch Veröffentlichung in den Diskussionsprozess der Fachwelt einbezogen worden ist.


Abmahnungen des Verbands sozialer Wettbewerb e. V., Berlin

Dem Verband gehören unter anderem Apothekerkammern, Ärztekammern, der Verband Deutscher Versandapotheken, Versandhändler aller Art, Sanitätshäuser mit Reform- und Drogerieprodukten, Heilpraktiker, Hersteller von Arzneimitteln udn Kosmetika, Betreiber von Kurkliniken, Anbieter von Naturheilmittel, von pharmazeutischen Produkten und Unternehmen aus der Lebensmittelbranche an. Der Verband sozialer Wettbewerb e. V. rügt vor allem Verstöße im Bereich Lebensmittel, Heilmittel, Kosmetik, Gesundheit und Wellness. Der Verband setzt kurze Fristen zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung. Dennoch sollten Unterlassungserklärungen nicht vorschnell unterschrieben werden. Der Verband sozialer Wettbewerb fordert Verstöße gegen eine einmal abgegebene Unterlassungserklärung konsequent ein.

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Thomas Seifried, Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz

Rechtsanwalt Thomas Seifried hat über 20 Jahre Erfahrung im Wettbewerbsrecht und Werberecht und ist seit 2007 auch Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz. Er berät und vertritt Unternehmen der Gesundheits- und Kosmetikbranche. Thomas Seifried ist Autor des Praktikerhandbuchs zum Werberecht "Rechtssicher werben" und schreibt regelmäßig Beiträge zum Werberecht für Fachzeitschriften, beispielsweise für die Zeitschriften "HORIZONT" oder auf heise.de. Er berät als Anwalt für Heilmittelwerberecht bundesweit Mandanten außergerichtlich und in gerichtlichen Verfahren, insbesondere in einstweiligen Verfügungsverfahren.

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